So klein, und doch so groß

Janina

Rein körperlich klein und irgendwie unscheinbar kommt sie daher. Und doch ist sie eine ganz Große – als Sportlerin, als Freundin und Kumpel, als Mensch. Janina Gürth aus Schmalkalden. Jahrgang 1989. Ihre Passion ist Judo, der sanfte Sport.

Schmalkalden – Ganz früh am Morgen, der Andrang ist groß, hilft sie eben mal schnell am Versorgungsstand aus. Um dann unten auf der Tatami ihre kleinen Schützlinge auf die Wettkämpfe einzustimmen und vorzubereiten, wozu Alltägliches wie das Ausziehen von Schuhen, das Richten der Wettkampfkleidung gehören. Hingebungsvoll coacht sie die manchmal nur fünf, sechs Jahre alten Mädchen und Jungens, die bei ihren ersten Wettkämpfen oft noch unbeholfen auf der Tatami stehen. Sie tröstet, trocknet Tränen, lobt, freut sich beim Erfolg mit. Sie findet Zeit, beim Kampfgericht auszuhelfen. Betätigt sich bei der Siegerehrung als Sprecherin und räumt anschließend die Halle mit auf. Nach acht Stunden ohne Pause ist der Job getan – ein Wettkampftag zu Hause in Schmalkalden.
Janina Gürth lebt den Judosport. Mit Herz und Seele. Seit ihrem neunten Lebensjahr ist die grazil und filigran gebaute junge Frau dabei. Klein und schüchtern sei sie damals daher gekommen, erinnert Angelika Wilhelm sich, Janinas Begleiterin auf und neben der Tatami seit der ersten Stunde. Aber fleißig sei sie gewesen, habe schnell Ehrgeiz entwickelt.
Janina zog dieses Kämpfen in den Bann, und es bereitete ihr Spaß. Sie hatte es, weil sie so leicht war, nie leicht. Biss sich durch. Ihre Spezialität: Seoi-Nage, der Schulterwurf. Kaum zu glauben mit nicht einmal 50 kg Körpergewicht. Sie biss sich durch zu Erfolgen wie Platz fünf und zweimal sieben bei Deutschen Meisterschaften, ein Sieg beim Internationalen Thüringenpokal, zu kompletten Medaillensätzen bei Mitteldeutschen Meisterschaften, zu elf Thüringer Titeln. Dutzende von Triumphen bei internationalen und nationalen Turnieren stehen in ihrem Wettkampfbuch. Sie erwarb nach dem ersten und zweiten sogar den 3. DAN, eine Seltenheit in ihrem Alter.
Als Janina gerade mal 15 war, erwarb sie die Trainerlizenz C. Die anspruchsvolle B-Lizenz folgte nur zwei Jahre später. Elf Jahre bereits gehört sie dem Trainerstab der Abteilung Judoka im SV Schmalkalden 04 an. Hat in dieser Zeit ungezählte Mädchen und Jungen kommen und gehen sehen. Jedes Jahr aufs Neue sprechen Eltern mit nicht selten erst Dreijährigen in der Halle vor. „Da beginnen wir natürlich erst mal im turnerischen, im koordinativen Bereich“, erklärt Janina. Judo selbst, die Techniken, das Kampfverhalten, Kraft, Ausdauer, Kondition, das alles kommt später, wenn sie fünf, sechs, sieben sind.
Trainerin. Warum? Die Antwort verblüfft. Weil sie aber Janina Gürth ausspricht, wiederum auch nicht: „Man bekommt selbst so viel wieder von den Kleinen. Wenn sie strahlend ankommen. Sie zu trösten, wenn sie weinen, weil es weh getan hat. Man hat ja irgendwie Werte im Kopf. Die werden da bestätigt, das eigene Ego wird gestärkt“. Glücksgefühle. Janina will nicht mehr und nicht weniger, als mit Hilfe des Judosports die Kinder auf den richtigen Weg zu bringen. „Damit sie gute Menschen werden“. Früher, als sie anfing, hatte sie die Idee, der Erfolg der Schützlinge muss ganz oben stehen, muss das Resultat sein. Das hat sich verändert. „Die Kinder sind heute zum Großteil nicht mehr so ehrgeizig und zielstrebig. Ich lege beim Training viel Wert auf die Wertevermittlung. Höflichkeit, Respekt, Bescheidenheit, die typischen Judoeigenschaften eben, die sollen sich immer wieder aufs Neue einstellen.“
Janina Gürth hat sie selbst verinnerlicht. „Der Judosport hat mir viel Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen gegeben. Ohne diese Erfahrung wäre ich nie auf die Idee gekommen, Lehrerin zu werden. Das hätte ich mir sonst nie zugetraut.“ Janina, weiß auch Angelika Wilhelm, habe als Trainerin ihr Talent erkannt, gut mit Kindern umgehen zu können, bei ihnen Ansehen und Respekt zu genießen. So „traute sich“ Janina, Lehrerin zu werden. Studierte in Gießen Lehramt an Grundschulen, ist nach dem Referendariat in Bad Hersfeld seit einem Jahr an der Grundschule in Dorndorf fest angestellt, pendelt zudem an die Kieselbacher Schule. Deutsch, Mathe und Sport sind die Fächer der Klassenleiterin einer zweiten Klasse.
In Schmalkalden ist man heilfroh darüber, dass Janina nach ihrem Studium wieder im Lande ist. Immer ansprechbar. Selbst noch aktiv, was in ihrem Alter wirklich selten ist, kämpft Janina als Gaststarterin im Weimarer Team in der 2. Bundesliga und für ihren Schmalkalder Verein bei Meisterschaften und Turnieren, „so oft es geht“. Steht als Trainerin Neulingen wie Fortgeschrittenen mit Rat und Tat zur Seite. Dabei: „Was kaum einer weiß – es hängt wirklich viel dran. Man bereitet die Wettkämpfe vor, gemeinsame Unternehmungen. Organisiert all die Fahrten, hat drum herum viel Büroarbeit, hält den Kontakt zu den Eltern. Manchmal ist das schon stressig“. Doch beeilt sich Janina Gürth, aufzuklären: „Zentral bei all dem sind aber immer noch die Kinder. Was man macht, man macht es mit dem Blick auf die Kinder im Kopf.“ Äußerlich ist Janina eine Kleine geblieben. Klein, aber sehr groß. Eine Persönlichkeit. Gereift im und mit dem Sport.